Wir danken allen die trotz des suboptimalen Wetters an der Demo teilgenommen haben!
Mit etwa 50 Menschen sind wir zu den Orten vergangener und drohender Zerstörung von Naturräumen geradelt.
Redebeitrag auf der Fahrraddemo der Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald am 27.09.2020
Ich möchte an den Anfang eine Frage stellen, die eine Aktivistin aus dem Dannenröder Wald vor zwei Wochen in einem Interview geäußert hat. Der Dannenröder Wald, das ist ein gesunder Buchen- und Eichenmischwald in Hessen, den die dortige schwarz-grüne Landesregierung in Kürze für den Bau einer Autobahn zum großen Teil abholzen will.
Sie hat gesagt: „Wenn wir der Klimakrise wirklich begegnen wollen, dann müssen wir – meiner Meinung nach – alle unsere Lebensbereiche verändern. Der Dannenröder Wald ist so ein Kristallisationspunkt all dieser Fragen, so zum Beispiel: Worauf legen wir Wert – wollen wir eine weitere Autobahn, um uns möglichst schnell von A nach B zu bewegen, meinetwegen zu einem Job, der uns nicht gefällt, oder um Güter zu transportieren, die wir eigentlich gar nicht brauchen, oder wollen wir etwas erhalten, was uns selber am Leben erhält?“
Worauf legen wir also Wert?
Die Hamburger Umweltbehörde legt Wert auf die Behauptung, dass Hamburg „die vielleicht grünste Millionenstadt der nördlichen Hemisphäre“ sei. Das mag stimmen, wenn man damit vor allem Straßenbäume und Parkanlagen meint. Aber gleichzeitig schreitet die Vernichtung und Bebauung von ökologisch viel bedeutenderen Naturflächen auf Hamburger Stadtgebiet unvermindert voran – und das trotz der sich beschleunigenden Klimakrise, trotz des drastischen Verlusts an Biodiversität und trotz der dringenden Notwendigkeit, zum Beispiel die letzten Moore als CO2-Speicher zu erhalten.
Das – muss – aufhören!
Die Bodenversiegelung in Hamburg durch Straßen und Gebäude beträgt mittlerweile etwa 40% der Gesamtfläche. Vor zehn Jahren waren es noch weniger als 30%, das sind zehn Prozentpunkte mehr Beton und Asphalt binnen eines Jahrzehnts. Anfang der Achtzigerjahre waren nur etwas über 20% der Fläche Hamburgs versiegelt. Und man muss dabei berücksichtigen, dass jede Verkehrsinsel, jeder Rasenplatz und jeder Ziergarten als unversiegelt gilt.
Aber was bedeutet eigentlich Versiegelung? Versiegelung bedeutet: Der Boden wird dem Austausch zwischen Erdreich und Atmosphäre entzogen, die natürlichen Funktionen der Böden werden vollständig zerstört. Flächenversiegelung ist nur schwer und unter hohen Kosten wieder rückgängig zu machen. Und der ökologische Schaden lässt sich auch nicht einfach „ausgleichen“: Ein jahrhundertealtes Torfmoor kann man nicht einfach umsiedeln, sondern es geht ersatzlos verloren.
Glauben wir nicht länger an die Ausgleichsarithmetik der Umweltpolitik:
Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten, bestehende Ökotope zu zerstören und darauf zu hoffen, dass sie sich vielleicht in Jahren oder Jahrzehnten woanders wieder entwickeln werden!
Die größten noch unversiegelten Flächen finden sich in Hamburg heute südlich und östlich der Elbe – und das weckt Begehrlichkeiten bei Industrie und Bauwirtschaft. Es gibt eine Vielzahl von aktuellen und geplanten Bauvorhaben und Gebietserschließungen, die ich hier gar nicht alle aufzählen kann: von Finkenwerder über Fischbek und Wilhelmsburg bis Oberbillwerder und dem geplanten Mega-Rasthof an der A1. Zwei besonders empörende Bauprojekte werden wir nachher auf unserer Fahrraddemo aufsuchen:
- Am Bostelbeker Moor will die Daimler AG ein 20 ha großes und zwei Meter mächtiges Niedermoor, das zahlreichen streng geschützten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum gibt und eigentlich einen besonders hohen Schutzstatus genießt, für ein Logistikzentrum zerstören. Frederik Schawaller vom NABU wird nachher Genaueres dazu berichten.
- Neuland 23: Auch in Neuland gab es bis vor Kurzem noch ein unberührtes ehemaliges Moorgebiet. Nachdem die Stadt eine acht Meter mächtige Klei- und Torfschicht überbaut und den Lebensraum zahlreicher bedrohter Arten unter einer Sandwüste begraben hat, ist leider der Investor abgesprungen – ohne dass irgendwer dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. Wir werden uns die Fläche nachher einmal ansehen.
- Schließlich möchte ich noch die A26 erwähnen: Dieses Monster aus dem 20. Jahrhundert, das derzeit zwischen das Naturschutzgebiet Moorgürtel und Wohnhäuser und Obsthöfe in Francop und Moorburg gezwängt wird, hat nichts, aber auch gar nichts mit einer klimagerechten Verkehrspolitik zu tun, und die ökologischen Folgeschäden sind meines Erachtens noch gar nicht absehbar. Über die geplante Verlängerung, die A26-Ost, wird Gudrun Schittek gleich etwas sagen.
Man kann sich über jedes dieser Bauprojekte im Einzelnen streiten – zusammengenommen bedeuten sie eine scheibchenweise Versiegelung natürlicher Lebensräume im Süderelbegebiet.
Wir fordern daher, dass die Natur im Süderelberaum von der Stadt Hamburg, die sich im Koalitionsvertrag dem Erhalt klimarelevanter Böden verschrieben hat, nicht weiter vor allem als Flächenvorrat für die wachsende Stadt betrachtet wird!
Noch ein Wort zum angeblich klimafreundlichen Bauen: Heutzutage betreibt Hamburg natürlich nicht mehr die Baupropaganda der Siebzigerjahre, als Beton schick und das Klima egal waren: Heute baut man „Klima-Modell-Quartiere“, mit begrünten Dächern und Strom aus Sonnenkollektoren. Das ist ja ganz schön und weist baupolitisch in die richtige Richtung – aber man braucht sich keine Illusionen darüber zu machen, dass das irgendetwas mit Klimaneutralität zu tun hätte.
Auch für „Klima-Modell-Quartiere“ wird vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten der Lebensraum entzogen, werden Moore, die wichtigsten CO2-Speicher, die wir haben, trockengelegt, Tausende Tonnen Sand bewegt, der von sonstwo herangekarrt werden muss, und es wird Beton eingesetzt, dessen Produktion jährlich Milliarden Tonnen CO2 verursacht, mehr als der gesamte weltweite Flugverkehr.
Ein solches, in eine Naturfläche hineingestampftes Neubaugebiet als „Klima-Modell-Quartier“ zu bezeichnen, ist nichts anderes als staatliches Greenwashing!
Lassen wir uns davon nicht in die Irre führen!
Hamburgs globale Verantwortung als Metropole liegt in Zeiten des Klimawandels nicht mehr darin, für Wachstum zu sorgen. Die Wachstumslogik, auch die Logik der wachsenden Stadt, kommt durch die Klimakrise endgültig an ihr Ende.
Denn die globale Klimaerhitzung wird maßgeblich durch Städte und ihren Ressourcenverbrauch verursacht. Bis zu 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sind städtischen Ballungsräumen und ihren Bevölkerungen zuzurechnen.
Aber auch aus Eigeninteresse muss eine Stadt wie Hamburg alle noch bestehenden unversiegelten Flächen unangetastet lassen, weil sie nämlich für eine lokale Abkühlung, für ein lokales Mikroklima sorgen, ohne das ein Leben in einer Metropole bei steigenden Temperaturen kaum noch auszuhalten sein wird. Schon jetzt beträgt der Temperaturunterschied zwischen Hamburg und dem Umland zwischen Mai und Oktober im Mittel etwa 3 Grad.
Jeder und jede, die etwa im Hochsommer von dieser Straße hier herkommend abends den Vollhöfner Wald betritt, wird das spüren. Und wenn solche Wälder und andere Naturflächen immer weiter verschwinden, wird das Leben in Hamburg in naher Zukunft im Sommer unerträglich werden, trotz Elbe und Alster und ein paar verstreuten Parks.
Was wir brauchen, ist Flächenrecycling, Umbau und Neunutzung von bestehenden Gebäuden, nachwachsende Baumaterialien, weniger Mobilität.
Was wir nicht brauchen, ist weiterer Flächenfraß!
Und wir müssen uns fragen, wie die eingangs zitierte Aktivistin aus dem Dannenröder Wald:
Worauf legen wir Wert, für heute und für die Zukunft?
Die Klimaschutzinitiative Vollhöfner Wald ruft am 27.09.2020 zu einer Fahrraddemo gegen Flächenfraß auf
Trotz
der sich beschleunigenden Klimakrise, trotz des drastischen Verlusts
an Biodiversität und trotz der dringenden Notwendigkeit, die
letzten Moore als CO2-Speicher
zu erhalten, werden auch in Hamburg weiter Naturflächen in
großem Umfang bebaut und versiegelt.
Die
Bodenversiegelung in Hamburg durch Straßen und Gebäude
beträgt mittlerweile 39% der Gesamtfläche, und sie hält
unvermindert an. Vor zehn Jahren lag der Anteil noch bei unter 30%,
Anfang der Achzigerjahre bei etwas über 20%. Versiegelung
bedeutet: Der Boden wird dem Austausch zwischen Erdreich und
Atmosphäre entzogen, die natürlichen Funktionen der Böden
werden vollständig zerstört.
Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, sondern auch
aufs Ökosystem bis hin zum Stadtklima. Flächenversiegelung
ist obendrein nur schwer und unter hohen Kosten rückgängig
zu machen, geschweige denn „auszugleichen“: Ein
jahrhundertealtes Torfmoor lässt sich nicht umsiedeln, sondern
geht ersatzlos verloren.
Die
größten unversiegelten Flächen finden sich heute in
Hamburg noch südlich und östlich der Elbe – und das
weckt Begehrlichkeiten bei Industrie und Bauwirtschaft. Denn es
erscheint allemal einfacher, eine weitere Naturfläche
plattzumachen, als sich mit aufwändigem Flächenrecycling zu
beschäftigen – auch wenn dies nicht nur in ökologischer
Hinsicht der bessere Weg wäre.
Wir
wollen zwei besonders drastische Beispiele für Flächenfraß
im Süderelberaum aufsuchen und rufen zur Fahrraddemo auf:
Wir treffen uns am Vollhöfner
Wald, der weiterhin Eigentum
der HPA und leider noch kein Naturschutzgebiet ist.
Auf
dem Weg nach Neuland halten wir am Bostelbeker
Moor und protestieren gegen
die nicht mehr zeitgemäße Trockenlegung und Bebauung der
Moores durch Daimler.
Am
Ort der Abschlusskundgebung in Neuland
finden wir eine von der Stadt Hamburg „entwickelte“
Industriefläche vor.
1. Bostelbeker
Moor
Nahe
dem Daimler-Werk an der A7 liegt ein 20 ha großes und zwei
Meter mächtiges Niedermoor, das zahlreichen streng geschützten
Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum gibt und eigentlich einen
besonders hohen Schutzstatus genießt. Die Bezirksversammlung
Harburg hat dennoch mit rot-grüner Mehrheit der Vernichtung des
Moores für ein Daimler-Logistikzentrum zugestimmt.
Um
nach dieser Entscheidung noch in den Spiegel schauen zu können,
betreibt man ein wenig Greenwashing: Das Werk soll „klimaneutral“
erweitert werden und bekommt eine Photovoltaikanlage sowie ein grünes
Dach. Ob darauf die vertriebenen Pflanzen und Tiere angesiedelt
werden sollen, ist nicht bekannt …
Zeigen
wir vor Ort lautstark, was wir von diesen Plänen halten!
2. Neuland 23
Auch
in Neuland gab es bis vor Kurzem noch ein unberührtes
Moorgebiet, heute liegt dort eine riesige Sandwüste, auf der
sich seit Längerem nichts mehr bewegt hat. Nachdem die Stadt
eine acht Meter mächtige Torfschicht abgetragen und zahlreiche
bedrohte Tier- und Pflanzenarten für einen Gewerbe„park“
vernichtet hat, ist leider der Investor abgesprungen – ohne
dass irgendwer dafür zur Verantwortung gezogen werden kann.
Neuland
23 soll eines von 19 „Klima-Modell-Quartieren“ werden –
so werden neuerdings geplante Flächenfraß-Projekte
genannt, die ein wenig grün aufgehübscht sind. Angesichts
der enormen Bedeutung gerade von Mooren als Kohlenstoffsenken, aber
auch als vielfältigen Lebensräumen, ist das zynisch und
empörend.
Schluss
mit dem Flächenfraß in Hamburg und anderswo!
Für
den unbedingten Erhalt noch bestehender Naturflächen!
Unser Zeitplan ist:
12:00Uhr Auftaktkundgebung am Völli
12:30Uhr Abfahrt zum Borstelbeker Moor
13:15Uhr Zwischenkundgebung am Fürstenmoordamm, Höhe Eisenbahnbrücke
15.15Uhr Abschlusskundgebung am Neuländer Weg
Unsere Route verläuft:
Vollhöfner Weiden - Waltershofer Straße - Georg-Heynken-Straße
- Fürstenmoordamm - Moorburger Bogen - Moorburger Straße
- Seehafenstraße - Seehafenbrücke - Buxtehuder Straße
- Buxtehuder Brücke - Walter-Dudek-Brücke - Großmoordamm
– Großmoorbogen - Neuländer Straße - Neuländer Weg